Was ist Autismus?
Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die bereits in den ersten Lebensjahren auftritt. Aufgrund einer beeinträchtigten Wahrnehmung verarbeitet und integriert das Gehirn Informationen anders als bei nicht behinderten Menschen. Die Fähigkeit zur Reizfilterung ist bei Autisten häufig beeinträchtigt. Das Gehirn wird von Reizen überflutet, kann Wichtiges nicht von Unwichtigem trennen und nimmt seine Umwelt folglich als Chaos wahr. Daraus resultieren ungewöhnliche Aktivitäten und Sonderinteressen, die sich häufig in eingeschränkten, sich wiederholenden und stereotypen Verhaltensweisen äußern. Stereotype Verhaltensweisen geben Menschen mit Autismus durch ihre Gleichförmigkeit Sicherheit und das Gefühl der Situationskontrolle; sie sind ein Versuch, die Situation zu strukturieren und damit verstehbar und erträglich zu machen.
Welche Folgerungen resultieren daraus im täglichen Umgang mit Menschen mit autistischen Zügen?
Im Umgang mit Menschen mit autistischen Zügen sollte die Bezugsperson (Eltern, Lehrer, usw.) zeitweilig die Rolle eines Dolmetschers übernehmen, der darum bemüht ist, dem autistischen Schüler die nicht-autistische Umgebung zu erklären bzw. zu übersetzen, damit er sich in dieser zurechtfindet. Bezüglich der Sinneswahrnehmung sollten individuelle Empfindlichkeiten herausgefunden, Ablenkung verhindert und wichtige Aspekte der Umwelt hervorgehoben werden. Im Bereich Sozialverhalten müssen z.B. soziale Verhaltensweisen und Regeln verstehbarer gemacht werden. Sprache sollte bewusst und reduziert eingesetzt und Bildsprache und Ironie möglichst vermieden werden. Überdies ist es sinnvoll Routinen aufzubauen, Veränderungen schrittweise einzuführen und Vorhersehbarkeit zu schaffen, um die Flexibilität des Handelns zu erhöhen und Ängste abzubauen. Um systematische Handlungsstrategien entwickeln zu können, benötigen Menschen mit Autismus visuelle Übersichtlichkeit in Räumen und bei Arbeitsaufträgen (wichtige Informationen sollten hervorgehoben werden). Die Bezugsperson sollte sich, wie bei allen anderen Kindern auch, an den Stärken und Interessen des Schülers orientieren.
Welche zusätzlichen Fördermöglichkeiten werden Schülern mit autistischen Zügen geboten?
Obwohl sich keine Heilungsmöglichkeiten für Autismus abzeichnen, haben sich verhaltensorientierte Ansätze und pädagogische Interventionen als nützlich und hilfreich erwiesen, um Verhaltensauffälligkeiten zu mindern.
In dem Zusammenhang wird u.a. in einigen Klassen und in der Einzelförderung in Ansätzen nach dem TEACCH-Konzept gearbeitet. „TEACCH“ ist die Abkürzung für „Treatment and Education for Autistic and related Communication handicapped Children“ und ist das erste bundesstaatenweite Programm in den USA zur Betreuung von Menschen mit Autismus aus dem Jahr 1964. Gemäß der TEACCH-Philosophie sollen auch Menschen mit autistischen Zügen ein Höchstmaß an Selbstständigkeit erreichen. Daraus resultiert der Zwei-Wege-Ansatz, der eine größtmögliche Integration von Autisten in die Gesellschaft fordert (verbunden mit der Notwendigkeit eines speziellen Umfeldes) sowie die Erweiterung der individuellen Fähigkeiten des Betroffenen. Dazu bedarf es der Zusammenarbeit aller Beteiligten (Eltern, Lehrer, Schüler, Therapeuten). Bei der Erstellung des Förderplanes wird der Fokus auf die Stärken und Interessen des autistischen Menschen gelegt und es erfolgt eine regelmäßige Evaluation der Fähigkeiten und Interessen. Menschen mit Autismus sind, wie bereits erwähnt, in der Fähigkeit beeinträchtigt, ihre Lebenswelt ausreichend zu strukturieren und ihr Sinn zu entnehmen. Die Umwelt ist folglich für sie ein einziges Chaos. Genau an dieser Stelle setzt die methodische Vorgehensweise des TEACCH-Konzeptes ein. Durch eine Strukturierung und Visualisierung der Umwelt wird versucht, diese für den Menschen mit Autismus verständlicher zu machen (wie bereits oben erwähnt, die Bezugsperson arbeitet als Dolmetscher).
Es stellt sich nun die Frage, wie die Umwelt für einen Menschen mit autistischen Zügen strukturiert werden kann. Die Strukturierung setzt an der Stelle ein, wo es notwendig ist, dem Menschen mit Autismus seine Umwelt vorhersehbarer und verständlicher zu machen und ihm somit Orientierung und Sicherheit zu geben, die seine Flexibilität und Selbstständigkeit vergrößern. Dargeboten werden die Strukturierungshilfen in erster Linie auf visueller Ebene, da die visuelle Wahrnehmung häufig eine Stärke des autistischen Menschen ist. Der Aspekt der Strukturierung umfasst im wesentlichen drei Bereiche: Strukturierung des Raumess, der Zeit und der Aktivitäten.
Strukturierung des Raumes: Verschiedene Bereiche im Raum werden nach individuellen Erfordernissen eingeteilt und optisch abgegrenzt. Ein Bereich kann zum Essen, ein Bereich zum Arbeiten sowie ein Bereich für Pausen abgetrennt werden. So werden Ablenkungen durch nicht relevante äußere Reize vermieden, um für das Kind die wesentlichen Merkmale der jeweiligen Situation klarer hervor zu heben und eine verbesserte Konzentration zu ermöglichen.
Strukturierung der Zeit: Diese ist notwendig, um den Menschen mit Autismus, die ein schlechtes Zeitgefühl haben und schnell den Überblick verlieren, einen Tag übersichtlich und vorhersehbar darzustellen. Anhand von Tages- und Stundenplänen werden zeitliche Abläufe verdeutlicht und einzelne Handlungsschritte in ihrer Abfolge vorstrukturiert. Bei Tagesplänen werden die Aktivitäten eines Tages in ihrer Reihenfolge dargestellt. Für einen Tagesplan werden reale Gegenstände, Fotos, Symbole oder Bild- und Wortkarten eingesetzt. Durch die Vorhersehbarkeit von Ereignissen sind autistische Menschen eher bereit, aus ihrer Gleichförmigkeit herauszukommen und sich auch neuen Situationen zu öffnen.
Strukturierung von Aktivitäten: Da viele Menschen mit Autismus oft große Schwierigkeiten haben ihre Handlungen zu organisieren, müssen Aktivitäten vorstrukturiert werden: Was ist wie zu tun? Wie viel davon? Wann bin ich fertig? Was kommt danach? Diese Vorgehensweise kann auf jede Tätigkeit angewendet werden. Innerhalb des Tagesverlaufs werden bestimmte Abfolgen einer Situation vorstrukturiert, um ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Bereitschaft zu erhalten. Mahlzeiten einnehmen, Toilettengänge bewältigen, Stundenübergänge aushalten und sich in der neuen Stunde wiederfinden fordern den Schüler in seinem individuellen Aufnahmevermögen heraus. Fotos, Symbole oder Bild- und Wortkarten ermöglichen innere Stabilität und Vertrauen, sich auf das Erlebnis einzulassen.
Welche außerschulischen Fördermöglichkeiten werden für Schüler mit autistischen Verhaltensweisen geboten?
Eltern von Kindern mit autistischen Verhaltensweisen können sich neben der Schule auch noch Hilfe bei folgenden pädagogischen Diensten einholen:
Autismus-Therapie-Zentrum
Bleichstr. 185
33607 Bielefeld
Tel.: 0521 –322011
Westfälisches Institut für Entwicklungsförderung
Königsweg 9
33617 Bielefeld
Tel.: 0521 – 9146432 / 33
Beide Dienste bieten Diagnostik, Beratung, Supervision und Therapie an. Kommt es zu einer Therapiemaßnahme, findet diese entweder einmal wöchentlich in den entsprechenden Zentren
(Abholdienst gewährleistet) oder in der Schule statt.
Eltern und Lehrer stehen dabei in regelmäßigem Kontakt zu den Therapeuten, damit eine kontinuierliche Förderung gesichert ist.